Was Rassismen gemein ist, ist ihr Hang, Personengruppen pauschal zu beurteilen. Die Aussage „Muslime sind gewaltbereit“ ist eine solche rassistische Aussage, die sich auf Menschen muslimischen Glaubens bezieht. Sie ist pauschal. Sie vereinfacht. Sie ist rassistisch.
Rassismen äußern sich aber nicht nur durch direkte und eindeutige rassistische Aussagen, sie werden oft impliziert durch das Gemeinte (den Mafhum), welcher vordergründig etwas anderes ausspricht (Mantuq), jedoch klar etwas anderes meint. Wenn jetzt vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse wieder Stimmen laut werden, „die Muslime“ müssten sich doch von Gewalt, Terror und Verbrecherei distanzieren, dann setzt das schon voraus, dass man „den Muslimen“ Gewalt, Terror und Verbrecherei per se unterstellt. Man meint, Muslime seien terroristisch und gewaltbereit.
Nun ist es mit Rassismus nicht so einfach. Wer ihn erlebt hat, weiß wovon er spricht. Wer ihn nicht erlebt hat, wird nie wissen, wovon er spricht. Die weißen Österreicher haben jedoch das zweifelhafte Glück, anhand der Folgen des Rassismus zumindest eine Annäherung an so etwas wie Empathie zu entwickeln. Vielleicht funktioniert deshalb folgendes Gedankenspiel: ein Jude sprenge ein Gebäude in die Luft, und ein Helmut Brandstätter schreibe dann: „Die Juden müssen sich eingestehen, dass der Judaismus oder wie er von seinen Anhängern gelebt wird, mit dem Anschlag zu tun hat.“
Es ist müßig, den anderen auf seinen Rassismus und seine vermeintliche Übermenschlichkeit hinzuweisen, wie es auch müßig ist zu erläutern, dass Rassismen sich nicht nur auf körperliche Merkmale beziehen, sondern generell pauschalisierte Urteile über Gruppen von Menschen meinen. Die Rechtfertigung heißt ja immer, links wie rechts, „ich bin ja kein Rassist, ich kritisiere nur eine Religion“. Als Mafhum klingt immer mit: „Und deren Angehörige“.
Der Irrwitz an diesen Distanzierungsaufforderungen ist ja ein noch viel köstlicherer:
Die Muslime, die säkular sind – das sind per definitionem diejenigen, die sich nicht politisch äußern -, sollen sich politisch äußern, um sich von Gewalt loszusagen, was DIE politische Aussage par excellence ist. Sie sollen also politisch-islamisch werden, um sich vom politischen Islam loszusagen. Und nur dann können Muslime als hier angekommen angesehen werden, wenn sie sich „in ihre Moscheen schauen lassen“.
Köstlich auch der Umstand, dass durch diese Form von Rassismus auch konvertierte Muslime aus der Mehrheitsgesellschaft betroffen sind, wenn über ihre neu gewählte Religion gesagt wird, sie sei per se für alles Unglück in dieser Welt verantwortlich. Gedankenspiel zwei: und was, wenn man zu dem Schluss kommt, der Islam habe „keinen Platz in Österreich“? Was machen dann diese Konvertiten? Ihre Religion, ihren Lebensweg ablegen? Auswandern?
Das vermeintlich Heimtückische, letztlich jedoch lächerlich Banale daran ist:
Wer mit dem Finger auf den Splitter im Auge seines Mitmenschen zeigt, muss davon ausgehen, dass andere den Balken, der in seinem Kopf steckt, nicht übersehen. Selbst wenn dieser ostentative Zeigefinger von der eigenen Verantwortung und dem eigenen Rassismus ablenken soll. Und da hilft auch ein humanistisch-aufklärerischer Übermenschenwahn nichts, dieses groteske Bild zu kaschieren.
Murat Gürol