STELLUNGNAHME ZUM KOPFTUCHVERBOT IM ÖFFENTLICHEN DIENST
Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft
Erneut werden politische Machtkämpfe auf dem Rücken von Musliminnen ausgetragen. Scheindebatten über Burka und Burkini waren lediglich die Wegbereiter dafür, um über ein Kopftuchverbot in Österreich zu sprechen.
Es gibt Begriffe, die sichtbare Musliminnen in ihrem Sprachgebrauch öfter verwenden als irgendetwas sonst. So stellen wir uns jedes Mal aufs Neue darauf ein, sie gebetsmühlenartig zu wiederholen und geben dabei ein geradezu einmaliges Beispiel für operante Konditionierung ab: Scheindebatte, Feindbild, Diskriminierung, Rassismus und Sexismus gehören zu den Ausdrücken, die wir immer und immer wieder verwenden, um andere auf etwas aufmerksam zu machen, das uns jeden Tag ein bisschen mehr die Luft zum Atmen raubt.
Dabei scheint die Annahme vorzuherrschen, dass wir uns doch nur Gehör verschaffen müssten, um verstanden zu werden. Erst wenn die Menschen wissen, welches Unrecht uns auf so vielen Ebenen tagtäglich widerfährt, werden wir vielleicht etwas zum Besseren für uns selbst und andere bewegen können. Und so rufen wir noch lauter: „Scheindebatte!“ und „Diskriminierung!“ und merken dabei gar nicht, dass wir nicht lauter, sondern leiser geworden sind.
Denn letztlich ist es das, was von uns erwartet wird, wenn uns im Gegenzug Schlagwörter wie „Opferrolle“ oder „Säkularität“ entgegengehalten werden, während gleichzeitig eine Schikane nach der anderen folgt.
Wir möchten betonen, dass diese Debatte nicht an der Argumentation des Säkularismus festgemacht werden kann, da man sonst über alle religiösen Symboliken diskutieren, und nicht von einer ganz bestimmten Religion ausgehen würde. In dieser Diskussion geht es um Grundrechte und darum, ob Österreichs Verfassung Gültigkeit für alle BürgerInnen hat oder nicht. Es ist nicht hinzunehmen, dass die österreichische Verfassung für eigene Ideologien ausgehebelt wird, um eine ganz bestimmte Minderheit auf Gesetzesebene zu diskriminieren.
Man fordert einerseits Partizipation und Integration, bezeichnet sich als religionsfreundliches Land, doch andereseits möchte man sichtbare Musliminnen in die Isolation treiben, in dem die muslimische Frau vom öffentlichten Dienst ausgeschlossen wird. Ein Integrationsminister, der angeblich Diversität und Vielfalt fördern würde, jedoch ein Kopftuchverbot einfordert, bekleidet schlicht und einfach das falsche Amt.
„Jeder Mensch hat das Recht die Grenzen des eigenen Körpers so zu ziehen, wie er es möchte“, betont die muslimische Feministin Dudu Kücükgöl. So ist das Tragen oder Nicht-Tragen einer Kopfbedeckung aus religiösen Gründen ein individuelles Recht der selbstbestimmten, muslimischen Frau.
Weiters schließen wir uns der Aussage des Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft Ibrahim Olgun an, der hier von einem „Diskriminierungspaket“ spricht, da das Verbot des Kopftuchs an öffentlichen Schulen in Österreich die Religionsfreiheit enschränkt und somit verfassungswidrig(!) ist. Daher wird eine Zusammenarbeit mit Sebastian Kurz nun auch von der IGGIÖ zurecht in Frage gestellt.
Der Außen- und Integrationsminister, der mit Anfang dieses Jahres den Vorsitz der OSZE leitet, vertritt im Grunde eine diskriminierende Haltung gegenüber einer bestimmten Minderheit in seinem Land. Während verschiedene muslimische NGO’s, sowie auch das NMZ, in verschiedenen OSZE Konferenzen versuchen die Staaten auf die steigende Islamophobie und den Rassismus aufmerksam zu machen, der salonfähig geworden ist, kommt nun eine erneute diskriminierende Forderung vom jetzigen Vorsitzenden der OSZE selbst: Das Kopftuchverbot.
Laut Europäischer Menschenrechtskonvention ist das Verbot des Kopftuches eine Einschränkung der Menschenrechte. Wer in Österreich von Werten spricht, jedoch Werte wie „die Gleichwertigkeit der Menschen in ihrer Vielfalt zu achten, ist die Grundlage der Gerechtigkeit“ mit Füßen tritt, sollte sein Amt als Integrationsminister ablegen.
Denn wir zweifeln an der Qualifikation und Sichtweise eines Integrationsministers, der schamlos Kopftuchträgerinnen als Integrationsbotschafterinnen einstellt, jedoch behauptet, dass sichtbare Musliminnen ein schlechtes Vorbild sein könnten oder gar eine Gefahr für junge Menschen darstellen würden. Erneut werden sichtbare Musliminnen zur Zielscheibe von Gewalt gemacht, dessen geistige Brandstifter mittlerweile bekannt sind.
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