Stellungnahme zu den Äußerungen Dr. Erwin Prölls (ÖVP) zur Barrierefreiheit in der ORF-Pressestunde vom 1. März 2015

Stellungnahme zu den Äußerungen Dr. Erwin Prölls (ÖVP) zur Barrierefreiheit in der ORF-Pressestunde vom 1. März 2015

Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz aus dem Jahr 2006 schreibt die Barrierefreiheit für Lokale vor. Nach zwei Jahren trat in Österreich dann auch die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft. In diesem internationalen Vertrag verpflichtete sich Österreich als Unterzeichnerstaat zur Förderung des Schutzes und der Gewährleistung der Menschenrechte für Menschen mit Behinderungen. Die Behindertenrechtskonvention beinhaltet keine anderen oder spezielleren Rechte als die, die bereits in der Allgemeinen UN Menschenrechtserklärung von 1948 definiert wurden. Da Menschen mit Behinderung jedoch immer noch in hohem Maße von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffen sind, wurde die Behindertenrechtskonvention ins Leben gerufen, um das Menschenrechtsverständnis um die vielfältigen Perspektiven von Menschen mit Behinderung zu erweitern sowie ihre Sichtweisen auf universelle Rechte zu berücksichtigen und gleichsam Konkretisierungen für staatliche Verpflichtungen zum Schutze dieser Rechte zu treffen.

So betont sie etwa neben dem Recht auf Leben (Art. 10) eine Reihe weiterer Punkte, darunter auch (Art. 12) das Recht auf persönliche Mobilität (Art. 20) sowie die Teilhabe am kulturellen Leben, auf Erholung, Freizeit und Sport (Art. 30).

Durch die Ratifikation der Konvention äußert sich auch die politische Bereiterklärung von Bund und Ländern für die volle Verwirklichung dieser Rechte in allen Gesellschaftsbereichen Sorge zu tragen und im politischen Handeln entsprechend Resonanz zu verleihen.

Während sich der rechtliche, verschriftlichte Rahmen für die Umsetzung einer gesellschaftlichen als auch mobilen Barrierefreiheit und uneingeschränkten Gleichberechtigung ausspricht, zeichnet sich in der gelebten Praxis des niederösterreichischen Landeshauptmannes Erwin Pröll jedoch ein ganz anderes Bild – wie anhand eines Interviews mit äußerst fragwürdigen Aussagen Prölls Anfang des Monats deutlich wurde.

Der Landeshauptmann, der seinen Ärger hinsichtlich einer Reihe von Verordnungen des Bundes kundtat, scheute sich nicht davor, seinen Unmut über die Barrierefreiheit in Lokalen als eines der untragbarsten dieser Normen darzustellen.

Der Inhalt des Interviews ist selbstredend:
http://www.bizeps.or.at/news.php?nr=15545

Das Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft, dessen Gründung auf eine Zeit zurückgeht, in dem die Politik dabei war, ein Gesetz zu beschließen, das von den Betroffenen selbst als unfair und diskriminierend empfunden wird, sieht Prölls Aussagen hinsichtlich der Barrierefreiheit als ein weiteres Anzeichen einer Policy, dessen Geist von einem Denken gezeichnet ist, das Menschen in unterschiedliche Klassen unterteilt und auf eine Kultur der Ausgrenzung setzt statt auf Inklusion.

Es darf nicht sein, dass anstelle einer verfehlten Wirtschafspolitik die Realisierung einer vollen Teilhabe von Menschen mit Behinderung als eigentliches Kernproblem dargestellt wird und Betroffene als Sündenbock herhalten sollen! Das Argument, dass die „Kultur“ unter solchen Bestimmungen Schaden nehmen würde, ist an sich eine offene Erklärung an die Aufrechterhaltung ausgrenzender gesellschaftlicher Barrieren.

Ein derartiges Auftreten des Landeshauptmannes ist nicht akzeptabel.

Das Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft setzt in seiner Arbeit in besonderem Maße auf Bewusstseinsmachung hinsichtlich gesellschaftlicher Denkmuster, in denen Ausgrenzungen nicht genügend erkannt oder als Selbstverständlichkeit angesehen werden.

Wir laden daher alle Akteure/-innen zur weiteren Vernetzung ein, um gemeinsam dagegen vorzugehen!

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