I.
Einleitung
Der Entwurf zum neuen Islamgesetz ist das vorläufige Ergebnis eines noch nicht zu Ende geführtenVerhandlungsprozesses zwischen dem Kultusamt und der vom Gesetzesentwurf betroffenenIslamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ). Die IGGiÖ forderte seit langem eineNovellierung des Islamgesetzes, wobei sie in erster Linie ein Gesetz zur Schaffung einer klarenRechtsgrundlage und Regelung ihrer eigenen Ansprüche und Verpflichtungen im Auge hatte. Diesdeshalb, weil schon im Islamgesetz 1912 den Anhängern des Islams die Anerkennung alsReligionsgesellschaft iSd StGG 1867 gewährt wurde und diese seit der Verordnung 466/1988 alsanerkannte Religionsgesellschaft die Bezeichnung „Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich“ führen. Demgegenüber hat sich das Kultusamt im vorliegenden Entwurf entschieden, sämtliche – auchpotentiell noch zu errichtende – islamische Religionsgesellschaften in ein und demselben Gesetz zuregeln. Gerade die parallele Regelung von bereits bestehenden und neu zu errichtender Religionsgesellschaften schafft aber ein unauflösbares Dilemma:
Die Konzeption der §§ 3 bis 5 des Entwurfes basiert auf einer Gleichstellung der Anerkennungsregelnnach dem IslamG und einer solchen nach dem Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften (BekenntnisgemeinschaftenG). Bestehende Religionsgesellschaften sollen den gleichen Bedingungen unterworfen werden, wie neu anzuerkennende. Abgesehen davon, dass diese Regelungstechnik bei keiner anderen anerkannten Religionsgesellschaft Anwendung findet, ist sie sachlich auch nicht nachvollziehbar. Anfang Mai 2014 wurde der IGGiÖ seitens des Kultusamtes ein erster Entwurf einer Islamgesetznovelle übermittelt. Die Vertreter der IGGiÖ haben mehrfach nachdrücklich den Wunschdeponiert, die äußeren Rechtsverhältnisse der IGGiÖ und die der anderen Islamischen Religionsgesellschaften in gesonderten Gesetzen zu regeln. Auf den Umstand, dass es unterschiedliche Gesetze hinsichtlich der Protestanten, der Orthodoxen, den Altorientalen und der Israeliten gibt, wurdeseitens der IGGiÖ deutlich aufmerksam gemacht. Ebenfalls wurde seitens der IGGiÖ mehrfach daraufhingewiesen, dass sie die Bestimmungen über die Darstellung der Lehre, insbesondere die gesetzlich Zwangsverpflichtung zur Beibringung von deutschsprachigen Koranübersetzungen ebenso verfassungsrechtlich für äußerst bedenklichhalte, wie auch die Einschränkung der Auslandsfinanzierung. In beiden Fällen hält die IGGiÖ diese Bestimmungen für den verfassungsgesetzlichen Gleichheitsgebot widersprechend. Festzuhaltenist, dass diese verfassungsrechtlichen Bedenken im vorliegenden Entwurf ebenso wenig Beachtung fanden, wie der Wunsch nach getrennten bundesgesetzlichen Regelungen. Vielmehr fand am 29.09.2014 eine Besprechung im Kultusamt statt, zu der neben der IGGiÖ und den ALEVIS auch die Bekenntnisgemeinschaft Schia eingeladen war. In dieser Besprechung wurde erklärt, dass in Bälde die Bundesminister Kurz und Dr. Ostermayer den Entwurf einer Islamgesetznovelle der Öffentlichkeitpräsentieren würden. Für die Vertreter der IGGiÖ war damit klar, dass die Vertreter derBundesregierung entschlossen waren, einen Entwurf zu Begutachtung auszusenden, der aus Sicht der IGGiÖ schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet; dies trotz aller seitens der IGGiÖ klar geäußerten und sachlich einwandfrei nachvollziehbaren Einwände. Mit der am 2. Oktober2014 vorgenommenen Präsentation des Begutachtungsentwurfes durch die Bundesminister Kurz und Dr. Ostermayer wurden seitens der Bundesregierung die verfassungsrechtlichen Einwände der IGGiÖ und ihr Wunsch nach einer die sachlichen Bedürfnisse der einzelnen islamischen Religionsgesellschaften entsprechenden je gesonderten bundesgesetzlichen Regelung ohne inhaltliche Auseinandersetzung beiseite geschoben und de facto der Dialog mit der IGGIÖ einseitig abgebrochen. Dies ist für die IGGiÖ umso unverständlicher, als die in konstruktiver Atmosphäre verlaufenen Gespräche mit dem Kultusamt vermuten ließen, dass die Politik an einem aufrichtigen, sachbezogenen Dialog mit der IGGiÖ über dieses wichtige Gesetzesvorhaben interessiert sei. Unverständlich und nicht nachvollziehbar für die IGGiÖ ist auch der zeitliche Druck, mit demnunmehr an der Umsetzung eines Gesetzesvorhabens gearbeitet wird, welches aufgrund seiner, im Übrigen über Österreich hinaus gehenden Bedeutung, besonderer Sorgfalt bedürfte. Damit ist der Entwurf zwar mit Wissen, aber ohne Zustimmung und Einbindung der IGGiÖ und deren Gremien (oberster Rat und Schurarat) entstanden. Der derzeitige Entwurf wird von der IGGiÖ aus denunten stehenden Gründen ausdrücklich abgelehnt. Viele der Bestimmungen lassen eine Gleichstellungzu anderen Religionsgesellschaften oder sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung völligvermissen; andere hingegen stellen die Muslime unter einen Generalverdacht. Beides istgleichermaßen abzulehnen. Die Ablehnung des Gesetzesentwurfs durch die IGGiÖ ist getragen voneinem klaren Bekenntnis zur österreichischen Verfassung und den dort verankerten Prinzipien, insbesondere der Religions- und Vereinsfreiheit sowie dem Verbot der unsachlichen Diskriminierungsowie ferner von einer sehr ernst genommenen Verantwortung der IGGiÖ gegenüber der Republik Österreich sowie den in Österreich lebenden Muslimen. Die IGGiÖ, als anerkannte Religionsgesellschaft, die dem demokratischen Rechtsstaat und dem Pluralismus sowie der Republik Österreich verpflichtet und treu verbunden ist, appelliert daher daran, die in der vorliegenden Stellungnahme geäußerten Bedenken zu berücksichtigen und gemeinsam mitder IGGiÖ an einer entsprechenden Neutextierung eines Gesetzes betreffend der äußeren Rechtsverhältnisse der IGGiÖ zu arbeiten.