Selbstbild des „Netzwerks Muslimische Zivilgesellschaft“
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Ein Klima der Angst und Einschüchterung breitet sich in Österreich und anderen europäischen Ländern aus. Spürbar ist dies deutlich in der muslimischen Community, es droht aber, auch andere Teile der Gesellschaft anzustecken.
Unmittelbarer und vorgeblicher Auslöser scheint die Angst vor einer Radikalisierung der Jugend im Zusammenhang mit den schrecklichen Kriegen im Nahen Osten zu sein. Vorgeblich, denn jedem gesellschaftskritischen Bürger/-in dürfte klar sein, dass dies als Vorwand genutzt wird, um Bürgerrechte einzuschränken und Strukturen der Überwachung zu etablieren. Wer sich die Geschichte der totalitären Ideologien im deutschsprachigen Raum ansieht, erkennt frappierende Parallelen.
Wir als Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft fordern alle gesellschaftlichen Akteure zu politik- und medienkritischer Distanz auf. So wie der Faschismus auf den Ängsten der einfachen Bürger/-innen aufbauend zum geeigneten Zeitpunkt einer Wirtschaftskrise die gesamte Gesellschaft okkupieren konnte, scheinen sich auch heute gezielt Gruppen islamophobe Ängste und die Furcht vor Migranten/-innen nutzbar zu machen: Wo solche Ängste überhandnehmen, ist der Mensch allzu oft bereit, seine persönliche Freiheit zu opfern und sich starker Kontrolle (dem „starken Führer“) zu unterwerfen.
Im individuellen Leben zeigt sich dies in:
- Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes
- Angst vor Mobbing – verstärkt durch die ausufernde digitale Kolonisation unserer Lebenswelt
- Angst vor Marginalisierung, gespeist durch immer stärker – vor allem in der Jugend – wirkende Zwänge zur medialen Selbstdarstellung und Entblößung
Schwappt diese Angst in einen größeren gesellschaftlichen Kontext, so besteht die Gefahr, dass hieraus eine Flut wird, die traditionell gewachsenes Miteinander, Nachbarschaft und in jahrelanger Kleinarbeit entwickeltes Verständnis innerhalb kürzester Zeit zerstören.
Brennpunkt Schule: Verwahrlosung pädagogischer Arbeit
Was in der Gesamtgesellschaft als dumpfes Gefühl – vor allem von Muslimen/-innen als den ersten Betroffenen – wahrgenommen wird, scheint in der Schule gebündelt aufzutreten. Religionslehrer/-innen aus dem europaweit gepriesenen österreichischen Modell des Religionsunterrichts berichten, dass jahrelange Bekanntschaften und kollegiale Verhältnisse besonders jetzt auf eine Zerreißprobe gestellt werden, wenn Muslimen/-innen einerseits in die Distanzierungsfalle („Ich habe mit IS nichts zu tun“) gelockt werden, andererseits ihnen zu erkennen gegeben wird, dass sie sich mit all ihren Distanzierungen umso verdächtiger machen („Der scheint was zu verbergen, warum distanziert er sich ständig?“).
Werden hier beruflich angelegte Mechanismen von Neid und Kampf um Aufmerksamkeit benutzt, um ein Klima der Denunziation gegenüber Schülern/-innen und Kollegen/-innen zu schaffen? Sollen Lehrer/-innen zur Bespitzelung und Überwachung ihrer Schüler/-innen eingesetzt ihren pädagogischen und befreienden Auftrag verraten?
Unser Aufgabenfeld
Wir fühlen uns aufgerufen, in einem breiten Feld gesellschaftlicher Verantwortung zu agieren: über die Grenzen der muslimischen Gemeinschaft hinaus.
- Gemeinsam aufstehen gegen jede Form von Diskriminierung: Antimuslimischer Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus
- Gemeinsame Aktionen gegen soziale Ungleichheit, Verschärfung des Asylrechts, neue Armut
- Gemeinsam Eintreten für ein Leben in Würde
- Frühwarnsystem vor der Herausbildung neuer totalitärer Strukturen
- Stärkere Anbindung muslimischer Institutionen an die Basis durch Transparenz in Entscheidungsfindungsprozessen.
Unser Netzwerk ist getragen von der Vision einer menschenwürdigen Zukunft. Uns geht es allen in Österreich gut – verspielen wir dies nicht! Lassen wir uns durch die allzu menschlichen Ängste um Arbeitsplätze und Anerkennung nicht verleiten, dass wir uns ins Mausrad begeben, um menschenverachtenden Strukturen Vorschub zu leisten.
Nur dort kann gesellschaftliche Entwicklung stattfinden, wo das Grundbedürfnis auf Sicherheit der persönlichen Würde und Freiheit der Identität nicht den Menschen beherrscht und ihn dazu bringt, sich freiwillig und wissentlich in Versklavung und Diktatur zu bringen.
- Wir sind ein von politischen Gruppierungen und Interessenverbänden unabhängiges Netzwerk – dies, obwohl viele von uns in Politik und Gesellschaft aktiv
- Die meisten von uns haben direkten Bezug zu islamischen Institutionen und anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen, doch agieren wir als Netzwerk unabhängig.
- Wir sind dezentral strukturiert und stemmen uns vehement gegen Hierarchien und die Herausbildung neuer Machtstrukturen.
- Wir heißen jeden willkommen, der nicht auf Vereinsmeierei, Küngelei und die Instrumentalisierung des Netzwerkes für seine persönlichen Interessen aus ist.
- Wir möchten uns als Individuen das Gefühl zurückgeben, dass wir trotz unseres Lebens in durchorganisierten Strukturen und einem Geflecht von medialer Bevormundung noch immer eine Möglichkeit selbstbestimmten Handelns haben: Und das mindeste dieses Handelns ist zu sagen: „Nicht mit mir!“