Offener Brief an die Mitglieder der Plattform für eine menschliche Asylpolitik

Wir haben die Nachricht erhalten, dass Michael Genner aus der Plattform Menschliche Asylpolitik uns in einer Diskussion der Plattform, von der wir bis heute ausgeschlossen sind, unterstellt, ein Video einer unserer Aktivistinnen, die sie an der Demonstration der Plattform am 13. Jänner gehalten hat, auf einer Facebook-Seite namens „Osmanische Generation“ „beworben“ zu haben.

Richtigstellung

Das NMZ hat zu keinem Zeitpunkt die Rede der Plattform-Demonstration „beworben“ oder auf dieser Seite geteilt. Das NMZ hat keine Rolle in der Veröffentlichung des Videos auf der beschriebenen Seite gespielt.

Das NMZ ist ein überparteiliches Netzwerk. Es liegt auf der Hand, dass niemand Einfluss darauf haben kann, wenn andere Personen oder Gruppen öffentliche Artikel, Videos oder Posts des NMZs auf der eigenen Social-Media Seite teilen. Von der Facebook-Seite „Osmanische Generation“ haben wir bereits gefordert, dass das Video, das ohne unsere Zustimmung und ohne, dass wir zuvor gefragt wurden, von der Seite genommen wird.

Uns AktivistInnen, die Teil der Arbeit der Plattform Menschliche Asylpolitik waren und bereits in der Vergangenheit Reden im Rahmen von Protesten der Plattform gehalten haben, war diese Facebook-Seite bis jetzt sogar unbekannt. Die politischen Inhalte der uns bis dato unbekannten Facebook Seite stehen im Gegensatz zu unserem politischen Grundverständnis. Das sollte vor allem allen, die unsere politische Arbeit in den vergangenen Jahren verfolgt haben, klar sein. All jenen, die mit uns (jenen, die als muslimische Frauen, Arbeiterinnen, Geflüchtete, Migrantinnen in der vordersten Schusslinie der neuen Regierung stehen) seit Jahren gegen die autoritäre Wende in Österreich gekämpft haben, sollte das besonders klar sein.

Aktivistinnen des NMZs wurden zudem in der Vergangenheit durch die türkische Behörde als auf privaten Facebook-Profilen geteilte „anti-türkische Propaganda“ verbreitend bezeichnet und eine Aktivistin des NMZs daher auf Veranlassung einer regierungsnahen, türkischen Organisation in Österreich in ihrem Job mit der Kündigung bedroht.

Unreflektierter, offener Sexismus und antimuslimischer Rassismus intern und aktive Akzeptanz und Normalisierung

Die Linke in Österreich hat ein großes Problem mit der (Re)Produktion von antimuslimischem Rassismus, der in seiner Struktur oft Argumente des antimuslimischen Rassismus der Rechten adaptiert. Die systematische und gezielte Abwertung von weiblichen, muslimischen Aktivistinnen ist besonders stark in den vergangenen Jahren. Unterstellungen haben bereits in der Vergangenheit zu auf Gerüchten basierenden Ausschlüsse und Diskriminierungen geführt. Auch Mitglieder der Plattform waren in der Vergangenheit an rassistisch-sexistischen Abwertungen beteiligt.

Das Netzwerk vertritt die Linie, dass es ein breites Bündnis braucht, um die menschenverachtende Polemik gegen Geflüchtete in ganz Europa zu überwinden. Diese nährt sich zu großen Teilen aus antimuslimischem Rassismus. Ist es in Ordnung, dass muslimische Geflüchtete, wie sie auch Teil des NMZs sind, Bälle im Ping-Pong Spiel zwischen linkem und rechtem antimuslimischem Rassismus sind, wobei die Linke der Rechten Teile des vermeintlich intellektuellen Unterbaus für berechtigte Kritik; sprich: nachvollziehbarem Hass, in diesem unsäglichen Spiel liefert?

Für uns gibt es keinen Kampf gegen Rassismus, der kein Kampf gegen Kapitalismus, Sexismus und Rassismus gleichzeitig ist. Wenn wir als linkes Netzwerk, das von vorrangig muslimischen Frauen, v.a. Arbeiterinnen geführt wird, von  einem weißen Mann im Vorbereitungstreffen für die Demonstration am 13. Jänner als Vertreterinnen des politischen Islams bezeichnet werden und uns mitgeteilt wird, wir sollten froh sein, dass wir in der Plattform geduldet werden, ist das für uns kein Ort des Widerstandes sondern der Gewalt. Der (Re)produktion der Gewalt der herrschenden Klasse.

 

Auf den von Michael Genner auf seiner privaten Facebook-Seite öffentlich geteilten Text (hier abzurufen: https://www.facebook.com/michael.genner/posts/10204194743785897 ) gehen wir in Kurzform ein:

  1. “Wenige Tage vor dieser Demonstration war eine Vorbesprechung, zu der fünf oder sechs Damen vom „Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft“ (NMZ) erschienen sind. Sie haben gefordert, daß ich auf der Demonstration nicht sprechen darf…”

Im betreffenden Treffen waren drei Aktivistinnen des NMZs  anwesend. Sie haben zu keinem Zeitpunkt im Treffen gefordert, dass Michael nicht sprechen darf. Das können die anwesenden Personen bezeugen. Sie haben im Tagesordnungspunkt “Mobilisierung” gefragt, warum neben Faschismus in der Türkei und im Iran nicht auch Polen ergänzt wird.

“Ich hatte dieses muslimische Netzwerk mit keinem Wort erwähnt. Die Damen haben sich aber offenbar mitgemeint gefühlt… Sie sind damals abgeblitzt. Meine Rede hat viel Anklang gefunden. Aber auch eine Sprecherin des sogenannten Netzwerks Muslimische Zivilgesellschaft, Gözde Taskaya, hat damals eine Rede gehalten.”

Die Aktivistinnen des NMZs haben das Treffen verlassen, nachdem Michael Genner sie adressiert hat mit den Worten sie, sollen froh sein, dass sie als “Vertreterinnen des politischen Islams” hier geduldet werden.

 

  1. Diese „Osmanische Generation“ (zu der die Sprecherin des Netzwerks Muslimische Zivilgesellschaft offenbar soziale und politische Kontakte unterhält)”

Die Facebook-Seite Osmanische Generation verfügt über keine Verbindungen zum NMZ und auch nicht zu “Sprecherinnen” des NMZs. Das NMZ und auch private Mitglieder des NMZs wurden zu keinem Zeitpunkt gefragt, ob das Video der Rede auch auf anderen Seiten hochgeladen werden kann und gaben dazu nie Zustimmung. Nachdem Mitglieder des NMZs nun gesehen haben, dass das Video auf der Seite hochgeladen wurde, hat das NMZ sich an die Seite gerichtet und die Löschung des Videos gefordert.

 

  1. Das „Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft“ (NMZ) ist eine Gruppierung des politischen Islam in Österreich.”

Hier wird weder ausgeführt, was als “politischer Islam” definiert wird, noch werden dafür Belege angeführt. Es handelt sich lediglich um eine polemische Formulierung. Was als “politischer Islam” als Konstruktion gemeint ist, wird an keiner Stelle ausgeführt. Das NMZ wurde im Widerstand gegen das neue Islamgesetz in Österreich gegründet, in dem es eine Trennung von Staat und Religion forderte und sich gegen die “Verkirchlichung des Islams in Österreich” stellte. Unsere politische Arbeit der vergangenen Jahre belegt, dass als politisches Netzwerk von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Glaubensrichtungen / Religionen oder AtheistInnen unsere politischen Inhalte immer ein intersektioneller Kampf gegen Rassismus, Sexismus und Kapitalismus waren.

 

  1. “Gözde Taskaya gehört einer Facebook-Gruppe an, in der dazu aufgefordert wurde, Erdogan-Gegner in Österreich auszuspionieren und ihre Daten dem türkischen Regime zu melden. Dieser Aufforderung ist Frau Taskaya nicht entgegengetreten, sondern hat sich lediglich interessiert gezeigt, wie eine solche Anzeige denn funktioniert.”

Gözde Taskaya war zu gegebenem Zeitpunkt entsetzt über die in der Facebook Gruppe gepostete Aufforderung. In einer Telegram Gruppe mit anderen Mitgliedern des NMZs hat sie über die in der Gruppe gepostete Aufforderung empört diskutiert. Dort wurde überlegt, ein Statement dagegen zu verfassen. Zu diesem Zweck hat Gözde Taskaya in der Gruppe gefragt, wie diese Anzeigen gestellt werden, um zu verifizieren, dass es sich hier tatsächlich um einen ernstgemeinten Aufruf handelt. Da Mitglieder des NMZs bereits in der Vergangenheit durch türkische Behörden als Regierungs-Gegnerinnen gemeldet wurden und unter Beobachtung stehen, wurde beschlossen, kein Statement in dieser Gruppe, in der sich Frauen, die dem Aufruf nachgingen, befanden, zu posten. Allerdings existiert die Telegram-Gruppe, in der diese Diskussion stattfand noch, wir führen Screenshots der Diskussion mit Datum und Uhrzeit an, die Gözde’s politische Haltung zu diesem Aufruf aufzeigen:*

 

  1. “Für die nun geplante Demonstration am 17. März ist wieder ein Redebeitrag des NMZ vorgesehen, während ich (übrigens ohne Beschlußfassung durch ein zuständiges Gremium) als Redner ausgeladen wurde, obwohl ich derzeit eigentlich noch Plattformsprecher bin. Es waren die muslimischen Netzwerke, die meine Abberufung gefordert und sich offenbar durchgesetzt haben.”

Das NMZ hat die “Abberufung” von Michael Genner nicht gefordert. Das NMZ war seit der Demonstration im Jänner weder Teil der Entscheidungsstrukturen der Plattform, noch Teil des internen E-Mail Verteilers und war seit Jänner bei keinem Plattform-Treffen anwesend und stellte keine Forderungen zur “Abberufung” Michaels für die Demonstration am Samstag. Mitglieder der Plattform können das bezeugen.

Wir wollen zudem anmerken, dass wir nicht als „Damen“ bezeichnet werden wollen und dass wir nicht auf Distanzierungsforderungen, die gleich dem antimuslimischen Diskurs der rechten, herrschenden Klasse der vergangenen Jahre gestellt werden, eingehen müssen. Das NMZ ist ein überparteiliches, unabhängiges Netzwerk, das keine Parteien im In- oder Ausland öffentlich unterstützt, auch nicht die AKP.  Es gehört zu unserem politischen Selbstverständnis, für Frieden und gegen Krieg zu stehen. Vielmehr werden vor allem die Frauen des NMZs von allen Seiten angegriffen für ihre politisch selbstbewussten politischen Äußerungen. Von Männern (und Frauen*) der Linken und Rechten in Österreich, von der regierungsnahen Organisationen der Türkei, sowie türkischen Oppositionsgruppen.

Das bedeutet für uns, dass wir wohl Stereotype und Konstruktionen stören, dass die selbstbewussten und politisch standhaften Frauen des NMZs wohl in ihrem intersektionellen Aktivismus vor allem für Männer nicht leicht aushaltbar in patriarchalen, politischen Kontexten sind.

Wir betonen nochmals, dass wir bis jetzt in dieser Debatte mit keiner einzigen inhaltlichen Kritik an unseren politischen Inhalten konfrontiert wurden.

Next Steps

Der Antimuslimische Rassismus und Sexismus in der weißen Linken in Österreich ist nicht unser Problem. In diesem zu lösenden Problem, werden wir nicht als Aufklärerinnen und Aufarbeiterinnen für euch da sein.

Für kommende Unterstellungen und Anschuldigungen fordern wir von euch folgendes ein:

  • Unterstellungen, die zu Rufschädigung und Abwertung von Personen oder Gruppen führen können, müssen sofort überprüft werden und die Betroffenen von Anfang an einbezogen, ohne Ausnahme. Schluss mit feigen, polemischen unter Ausschluss und ohne jegliche Konfrontation passierenden Abwertungen!
  • Die Schaffung interner Grundsätze, die ausnahmslos keine Toleranz für Gewalt gegen Frauen, aggressives Auftreten gegenüber Frauen, Rassismen gegen People of Colour und Schwarze, Homophobie, Antisemitismus, Ableism und andere Formen der Diskriminierung innerhalb der Plattform zulassen und Mitglieder, die diese Gewalt intern reproduzieren auf Grund von Verstoßen gegen interne politische Grundsätze ausschließen!

Die nach der autoritären Wende nun herrschende neofaschistische Regierung, gegen die ihr euch stellen wollt, hat sich vor allem an den Körpern von muslimischen Frauen vollzogen, mit dem Ziel einer Verschleierung sozio-ökonomischer Probleme in Österreich.

Die Unterstellungen gegen das NMZ, die sich auch explizit gegen Frauen des NMZs richten, kostet nun Mitgliedern des NMZs, die in der fordersten Schusslinie der neuen Regierung in Österreich stehen, Zeit und Energie, die wir für andere Kämpfe brauchen. Gerne wären wir in der Diskussion über uns nicht aus der internen Diskussion der Plattform ausgeschlossen gewesen und diese intern geklärt. Leider ist die Debatte nun durch Michaels öffentlichen Text gegen uns öffentlich geworden.

In einer Weiterführung unserer politischen Arbeit, unseres von Frauen geführten, antikapitalistischen, antirassistischen, feministischen Netzwerks werden wir auch weiterhin für die Rechte von Geflüchteten einstehen. Die rechte Regierung erfordert, dass wir gemeinsam kämpfen, gemeinsame politische Vorhaben vertreten in gegenseitiger Solidarität. Wir lassen uns nicht von Einzelpersonen in Kollektiven spalten und hoffen, dass viele andere es uns gleich tun und in Zukunft den Weg der Transparenz, inhaltlichen Auseinandersetzung und des Dialogs suchen, als Vorbedingung für eine starke, gemeinsame, gesellschaftliche Alternative im Widerstand gegen Neofaschismus.

Das NMZ

 

*Die türkischen Teile der Unterhaltung werden von uns ins Deutsche übersetzt.

Screenshot 1: (25. Jänner 2018)

„Was alles geteilt wird.. oh gott.. jetzt wird jede jeden anschwärzen, melden/anzeigen“

„Das ist so arg.. wir werden alle zu Spionen..“

„Das ist gelebter Faschismus! Und dann sagen sie auch noch, sie sind Demokraten“

 

Screenshot 2: (25. Jänner 2018)

„Sie hat noch nicht geantwortet.. aber es gibt sogar eine APP dazu..“

„Wozu die Beschuldigungen ATIB würde spitzeln.. das macht unsere Gesellschaft..“

 

Screenshot 3:  (25. Jänner 2018)

„Aha Mädels“

„das ist krass also ich weiß nicht was ich sagen soll.. ich bin schockiert“

 

Screenshot 4: (25. Jänner 2018)

„Die Frauen sind echt ur arg“

„Wenn die Admina was sagen würde, würden sie auf sie hören“

„Wenn wir was sagen werden wir zu PKK´lerinnen“

„Ich auch nicht. Die melden einfach jeden, der ihnen nicht passt.“

„Und glauben damit, dem Staat zu dienen. Das sind Nazis“

 

 

 

 

 

 

Über NetzwerkMZ

Ein Kommentar

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.Benötigte Felder sind markiert *

*

Time limit is exhausted. Please reload CAPTCHA.