Nachtrag zur „Tribal & Curiosity Sale“-Auktion im Dorotheum.
Und warum ich ein Problem mit der (Post-)Kolonialisierung habe.
Nach dem großen Aufschrei und der berechtigten Kritik zur Versteigerung von Relikten die von indigenen Völkern Südamerikas und Afrikas stammen, wurden 15 dieser Gegenstände laut dem Dorotheum nun aus der Auktion entfernt. Lauter Protest wirkt. Und wie.
Die Kommentare die ich gestern unter meinem Post gelesen, als private Nachrichten oder anderweitig bei dem geteilten Beitrag gelesen habe, erschrecken mich. Der Grundtenor war derselbe: wir, die diese Auktion kritisch sehen, sind Rassisten, weil wir nicht damit klarkommen, dass beispielsweise afrikanische Stämme mit menschlichen Überresten rituelle Gegenstände hergestellt haben. Kommentare wie „entartete Kunst“ oder „ist euch wohl nicht arisch genug“ und „was für Rassisten seid ihr“ waren durchgängig. Es wurde mit nationalsozialistisch-konnotierten Begriffen um sich geworfen, als ob es ein Contest wäre.. Traurig auch zu sehen, dass gerade Betroffene den Mechanismus von Rassismus nicht kennen, geschweige denn, sich mit diesem Begriff auseinandergesetzt haben.
Ich möchte hier nochmal erklären, was meiner Meinung nach problematisch an dieser ganzen Geschichte war bzw ist und auch einige Dinge klarstellen.
Die Kernaufgabe eines Museums besteht darin, Überreste der Geschichte zu sammeln und aufzuheben. Und mit Geschichte meine ich auch die dunklen Ecken der Geschichte, sei es die Kolonialisierung oder der Zweite Weltkrieg zum Beispiel. Man muss deswegen versuchen, diese Relikte in einem angemessenen Rahmen auszustellen, im Sinne einer Geschichtsaufbereitung. MuseumsmitarbeiterInnen können damit gewährleisten, dass jegliche Art einer Geschichtsverfälschung entgegengewirkt werden kann. Oder eben auch unrechtmäßige Inbesitznahme von solchen Gegenständen. Die Gegenstände aus der „Tribal & Curiosity Sale“ sind größtenteils aus einer europäischen Privatsammlung. Die Frage die sich jetzt hier stellt: wie ist man an diese Relikte gekommen? Wir dürfen nämlich nicht außer Acht lassen, dass Afrika und Südamerika kolonialisierte Gebiete waren. Und die Auswirkungen des Kolonialismus sind bis heute dort gegenwärtig und auch spürbar. Deswegen müssen sich solche Sammlungen, Auktionshäuser, aber auch Museen ihrer Geschichte stellen und, falls nötig, Übergabezeremonien abhalten. Es kann nämlich nicht sein, dass man aus derartigen Relikten Profit schlägt.
Warum mich das Thema (Post-)Kolonialisierung so beschäftigt? Weil meine Wurzeln selbst in einem kolonialisierten Land liegen, in Tunesien. Die Ortschaft, wo mein Vater aufgewachsen ist, war und ist bis heute noch immer Opfer von Kulturraub. Vermehrt Europäer (oder eben Tunesier angeheuert von Europäern), die ihre Privatsammlungen mit historisch und kulturell wichtigen „Funden“ bereichern. Vieles von der tunesischen Kultur ist verloren gegangen durch die französische Besetzung damals. Die Konsequenzen davon sind bis heute spürbar. Allein meine Muttersprache (Arabisch, tunesischer Dialekt) besteht aus mindestens 50% Französisch. Dieses Thema ist viel tiefgründiger und komplexer, vielleicht ein anderes Mal dazu mehr. Damit mal veranschaulicht werden kann, was durch so eine Besetzung durch fremde Mächte alles verloren gehen kann. Wir müssen uns gegen dieses organisierte „Nicht-Erinnern“ stellen.
Nour Kelifi