Muttersprachenverbot an Schulen

Muttersprachenverbot an Schulen

Am Montag, den 16.03.2015, brachte ein Schreiben der VBS Mödling das Internetvolk in Aufruhr. Darin wird festgehalten, dass sogar in Pausen von nun an nur mehr in der „Amtssprache Deutsch“ miteinander zu reden sei. Grund sei ein interkultureller Konflikt mit dem Reinigungspersonal.

Dem nicht genug, werden SchülerInnen auch noch angewiesen, ihre persönlichen Telefonate von nun an ausschließlich in deutscher Sprache abzuhalten:

„Sollte ein/e SchülerIn mit den Eltern nur in einer anderen Sprache kommunizieren können, können diese Telefongespräche nur in einem Bereich der Schule geführt werden, wo sich keine anderen Personen aufhalten, die sich auf irgendeine Art beleidigt fühlen könnten“, heißt es darin.

Des Weiteren wird dabei noch angemerkt:

„Einzige Ausnahme: Die in der Schule unterrichteten lebenden Fremdsprachen = Englisch/Spanisch/Italienisch/Französisch im Unterricht bzw. mit den betreffenden LehrerInnen.“

Der Schulerhalter, Fonds der Wiener Kaufmannschaft, schrieb in seiner Presseaussendung vom 16.03.2015, dass es zu missverständlichen Formulierungen von Seiten der Direktorin gekommen sei. Bemerkenswert daran ist, dass behauptet wird, es sei nicht darum gegangen, den Dialog in anderen Sprachen zu unterbinden. Jedoch wird im selben Absatz das Handeln der Direktorin verteidigt und ergänzend angemerkt:

„Das Schreiben der Schulleiterin zielte darauf ab, in einem konkreten und kulturell komplexen Konfliktfall daran zu appellieren, dass zur Vermeidung bzw. besseren Auflösung solcher Konflikte, die alle Beteiligten verbindende Unterrichtssprache Deutsch gewählt werden soll. Denn: Der aktuelle Konflikt entstand daraus, dass ein Streitfall zwischen einem albanischen Schüler und einer mazedonischen Reinigungskraft zu Missverständnissen mit einer türkischen Schülerin geführt hat. Für derartige Situationen muss klar sein: Eine konstruktive Konfliktlösung kann nur in der allen Beteiligten gemeinsamen Sprache Deutsch erfolgen.“

Wir und viele andere finden die Formulierungen der Direktorin nicht missverständlich, sondern lesen unverkennbar heraus, dass in der Schule nur mehr Deutsch gesprochen werden darf. HC Strache findet das gut und längst fällig. Wir nicht!

Ein derartiges Verbot ist eine unzumutbare Einschränkung für die SchülerInnen!
Die österreichischen Lehrpläne legen in ihren Erziehungszielen einen Fokus auf Weltoffenheit, Achtung, Respekt und Anerkennung hinsichtlich eines Kontextes des gesellschaftlichen Umgangs mit Vielfalt, Differenz sowie Identität. Betonung finden darin etwa auch die Würde des Menschen, seine Freiheit und Integrität. Ebenso die Gleichheit und Einzigartigkeit aller Menschen.

Neben derart allgemein formulierten Erziehungszielen werden auch die Begegnung der Kulturen im Alltagsleben und insbesondere der respektvolle Umgang mit Sprachenvielfalt betont.

Darüber hinaus sollen SchülerInnen zu selbstbestimmtem und verantwortungsbewussten Handeln angeleitet und in ihrer Identitätsentwicklung gestärkt werden.

Somit steht die Geisteshaltung hinter diesem Schreiben im Widerspruch zu österreichischen Lehrplänen und deckt sich nicht mit der suggerierten Internationalität der Schule (siehe Name und Selbstbild der Schule).

Wir haben auch Bedenken, ob die Europäischen Menschenrechtskonventionen seitens der Direktorin verinnerlicht wurden. In den EMRK wird in Art 8 nicht nur das Recht auf Meinungsfreiheit festgehalten, sondern auch ganz klar das Recht sich seiner eigenen Sprache zu bedienen (siehe Art 10 EMRK). Dieses Recht darf nur dann eingeschränkt werden, wenn es nach Maßstäben einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist (siehe z.B. Art 8 Abs 2 oder Art 10 Abs 2 EMRK). Wir glauben nicht, dass private Gespräche zwischen KlassenkollegInnen oder gar mit den eigenen Eltern eine Gefahr für die demokratische Gesellschaft darstellen!

Darüber hinaus kann auch ein zwischenmenschlicher Konflikt mit dem Reinigungspersonal kein Anlass für solch ein Schreiben sein. Was sowohl die Direktorin als auch der Schulerhalter dabei außer Acht lassen, ist der Gedanke der Sippenhaftung, der hinter diesem deutlichen Verbot steckt. Sollen SchülerInnen ihre nicht-deutsche Muttersprache nicht mehr sprechen dürfen, da sie für eine Angelegenheit, die in keiner Verbindung zu ihnen steht, kollektiv bestraft werden?

Die Schulmediation kennt eine Reihe von Strategien, wie auch mit interkulturellen Konflikten an Schulen sinnvoll umgegangen werden kann.

Wir sind jedoch gegen eine Kriminalisierung von Mehrsprachigkeit an Schulen!

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