Das Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft lud gestern Freitag, den 13.2.2015, zur Mahnwache im ersten Wiener Gemeindebezirk in Gedenken an die Opfer des Terrors von Chapel Hill. Der Einladung in Wien folgten mehr als 400 Menschen und solidarisierten sich, um gemeinsam gegen den antimuslimischen Rassismus zu protestieren.
Die Zusammenkunft zielte auf die Aufmerksamkeit der Medien, denen das Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft Ignoranz bei Gewalt gegen Muslimen/-innen vorwirft. Der Zivilgesellschaft zufolge messen Medien mit zweierlei Maß, wenn es um Hate Crimes geht. Derselbe Vorwurf richtet sich auch an die Politik, die immer noch nicht Stellung zu den Gräueltaten bezogen hat. Der Präsident der USA, dessen Staatsbürger /-innenes waren, die dem Wahn des atheistischen Täters zum Opfer fielen, entschied sich erst am Freitagabend zum Attentat zu äußern.
Während die internationale Reaktionen auf die Terroranschläge in Paris keinen Augenblick auf sich warten ließen, sucht man in diesem tragischen Fall nach Alternativmotiven. Wenn man denn überhaupt was sucht. Die internationale Empörung scheint auszubleiben, wenn es um das Leben und Sterben von Muslime/-innen geht. Wenn jedoch die Täter irgendwelcher Verbrechen vermeintlich Muslime sind, wird keinen Augenblick gezögert, um Gewissheit über das Motiv zu erlangen.
Um gegen diese Heuchelei zu demonstrieren, versammelten sich Wienerinnen und Wiener in der Innenstadt vor der Pestsäule, am Graben. Mit einem Lichtermeer versuchte man die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Nach einer standhaften Rede wurde im gemeinsamen Gebet an die Opfer des Terrors am 10.02.2015 in North Carolina, USA, gedacht. In einem weiteren Gebet wurde nach Kraft, Friede, Gerechtigkeit und Einigkeit gerufen. Das Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft fordert: Nehmt Eure Verpflichtungen ernst! Wir appellieren an die Politik und Medien eurer Verantwortung gerecht zu werden und dieser nachzugehen!
Medien sollen ihrer Verpflichtung einer objektiven Berichterstattung gerecht werden. Politiker/-innen werden aufgerufen, sich um die Sicherheit aller Bürger/-innen zu sorgen. Der soziale Frieden ist essentiell! Jedoch scheint zurzeit dieser am meisten gefährdet zu sein.
Wir können nicht weiter hinnehmen, dass Musliminnen mit Kopftuch angespuckt werden und die Täterin keine Folgen zu fürchten hat. Es kann nicht sein, dass Muslime/-innen in Angst leben, während Medien sie weiterhin als Täter/-innen darzustellen versuchen.
Ein verantwortungsvolles Miteinander ist in unser aller Interesse und diesem sucht das Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft gewissenhaft nachzugehen.
die Rede und das Bittgebet/Du´a
die Rede und das Bittgebet/Du´a
Wie Imam Ali as. sagte, „sind die Menschen zweierlei, entweder sind sie deine Geschwister im Glauben oder deine Geschwister in der Menschlichkeit.“
Liebe Brüder und Schwestern,
Wir sind heute hier versammelt um den drei muslimischen Studenten Deah Barakat, Yusor Abu-Salha und Razan Abu-Salha zu gedenken, die am Dienstagabend in Chapel Hill ermordet wurden. Die drei jungen Muslime waren bekannt für ihr gesellschaftliches Engagement und ihre Beliebtheit scheint hoch zu sein, wenn man sich die Anteilnahme anschaut, die den Hinterbliebenen zu Teil wird. Eine solche Tat, begangen von einem Mörder, der sich selbst als „Anti-Theist“ bezeichnet und mehrmals rassistische Äußerungen gegenüber seinen späteren Opfern tätigte, ist kein Einzelfall mehr. Sogenannte Hate Crimes gegenüber MuslimInnen erleben wir mittlerweile tagtäglich in Form von Beschimpfungen oder schlimmeren Attacken.
Marwa El Sharbini ist ein Beispiel: Die junge Pharmazeutin wurde 2009 in Deutschland in einem Gerichtssaal erstochen. Der Verhandlung ging eine Auseinandersetzung über eine Schaukel auf einem Spielplatz voraus. Der Angeklagte beschimpfte und drohte Marwa, die ihn daraufhin anzeigte. Dass er unbemerkt ein Messer mit in den Gerichtssaal nehmen konnte und dann ungehindert 18 Mal auf die schwangere Frau einstach, ist bezeichnend. Bezeichnender ist jedoch, dass die Polizisten die dazu eilten, nicht auf den Täter, sondern auf ihren Mann, der als einziger zu Hilfe geeilt war, schossen.
Genauso wenig, wie Marwa wegen einer Schaukel erstochen wurde, wurden die Opfer am Dienstag wegen eines Parkplatzes erstochen. Die Taten wurden aus Hass begangen, nicht wegen kleinen Streitereien, die man mit jedem Menschen normal hätte klären können.
Interessant ist aber, dass genau das die Polizei behauptet, während die Familie der Opfer von rassistischen Äußerungen des Täters berichtet, von Drohungen die mit dem Zeigen seiner Waffe geäußert wurden.
Sein Profil bei Facebook unterstützt die Annahme, dass diese Tat ein „Hate Crime“ war. Dass die Medien diese Umstände herunterspielen und auf einen Parkplatzstreit reduzieren ist sehr fragwürdig.
Würde es glaubwürdig klingen, wenn ein vermeintlich muslimischer Täter drei stadtbekannte, weiße AtheistInnen in ihrem Haus erschossen hätte? Würde die Polizei nach Ursachen wie einem Parkplatzstreit suchen oder eher recherchieren, welche islamistischen Terrorzellen Kontakt zu dem Täter haben könnten?
Wir kennen die Antwort.
Generell begannen die Mainstream Medien nur sehr träge zu berichten, die Schreckensnachricht machte über Twitter und Facebook die Runde, 14 Stunden nach der Tat gab es auf österreichischen Nachrichtenportalen wie ORF.at und der Presse immer noch keine Meldung. Über einen Vorfall bei dem vermeintlich muslimische Täter Menschen an ihrem Arbeitsplatz erschossen haben, wusste man sofort Bescheid. Noch bevor die Täter erfasst waren, sprach man von religiösen Motiven. Der Täter am Dienstag stellte sich selber, er scheint radikal in seinen Ansichten und verabscheut Menschen, die an Gott glauben, sein Facebook-Profil ziert zudem ein Foto der geladenen, potentiellen Tatwaffe. Trotzdem wird von unklaren Hintergründen der Tat berichtet, es wird nichts von den rassistischen Äußerungen erwähnt bis der Vater eines der Opfer öffentlich darüber spricht.
Sind manche Leben weniger wichtig? Werten die Medien nicht mit diesem langen Schweigen die Grausamkeit dieser Tat herab?
Wieso zieren kurz nach den ersten Berichten über Paris alle Cover und Profile Beileidsbekundungen und „Je suis Charlie“-Sprüche, doch hier lassen alle Persönlichkeiten, Institutionen und Verbände mit Äußerungen und Verurteilungen auf sich warten? Das ist ein Zeichen, ein Zeichen dafür, dass sehr wohl gewisse Leben als wertvoller eingestuft werden als andere. Dass die Betroffenheit bei muslimischen Opfern ausbleibt. Weder verschiedene Verbände noch die Bundesregierung oder andere haben diese Tat verdammt, es findet heute keine Kundgebung „Gegen Intoleranz und Gewalt“ mit dem Slogan „I’am Deah, Yusor and Razan“ statt, noch fragt die Zeitschrift Profil nach der Gefahr von radikalen Anti-Theisten.
Hat jemand schon eine Distanzierungsforderung an alle Atheisten dieser Welt zu lesen bekommen?
Nein, natürlich nicht. Denn ein Atheist steht nicht für alle AtheistInnen, genauso wenig wie ein Minimalprozentsatz an MuslimInnen für alle MuslimInnen steht.
Den Opfern von Chapel Hill, in Nigeria, vor Lampedusa etc. gebührt dieselbe mediale Aufmerksamkeit, wie den Opfern von Paris. Auch in Österreich erleben wir permanent eine Ungleichheit bei Berichterstattungen. In den letzten Monaten sind mehrere Frauen mit Kopftuch rassistisch beschimpft und bespuckt worden, von derselben Person. Trotzdem weigert die Polizei sich vehement Anzeige gegen diese Täterin, die mittlerweile namentlich bekannt ist, aufzunehmen und in den Medien vermisst man bis heute eine eigene Meldung dazu. Auffällig ist aber, dass vor wenigen Wochen zwei Gratisblätter in einer Schlagzeile über zwei weiße Personen berichteten, die angespuckt wurden. Einfach so, ohne rassistische Beschimpfungen oä. Bei weißen ÖsterreicherInnen ist es eine Meldung wert, geht dieselbe Tat einher mit hasserfüllten Schimpftiraden ggü. MuslimInnen, People of Color/Schwarzen ist es allen herzlich egal.
Dass der antimuslimische Rassismus nicht mehr nur salonfähig, sondern auch gewaltbereit ist, konnten wir zuletzt auch nach der Pegida Demo in Wien sehen. Muslimische Frauen wurden von einigen Pegida Demonstranten rassistisch angepöbelt und bedroht. In den Medien finden solche Meldungen keinen Platz. Wieso nicht? Wäre es bei einer Opfer-Täter Umkehr dasselbe Schweigen?
Wir befinden uns bereits in einer sehr angespannten, gefährlichen Atmosphäre. MuslimInnen sind tagtäglich mit Hate Crimes konfrontiert, doch weder Medien noch Polizei wollen das erkennen.
Wir dürfen nicht zulassen, dass wir in Österreich bald ähnliche Zustände erleben, wie z.B. in Schweden, wo Betende in den Moscheen getötet werden oder wie in den USA jetzt. Schweineorgane und Hakenkreuze an Moscheen sowie brennende Asylheime müssen Zeichen genug sein, um aufzuwachen!
Wir müssen verhindern, dass die tägliche Gewalt zunimmt und in Morden endet.
Vor allem Österreich und Deutschland tragen eine Verantwortung. Nicht allzu lange ist es her, dass Menschen einer Religion zur Rasse und „den Fremden“ konstruiert und öffentlich verfolgt und ermordet wurden.
Ersparen wir uns und unseren Nachkommen einen weiteren Schandfleck der Geschichte.
Die Medien haben ihre Verantwortung zu erkennen und deeskalierend zu handeln! Dass wir von Fällen hören, bei denen das Kopftuch einer Schülerin angezündet wurde oder eine ältere Muslima so zu Boden geschubst wurde, sodass sie einen Lendenbruch erlitt, sollte jedem Menschen zu denken geben.
Das Massaker von Chapel Hill muss eine Warnung für uns alle sein!
Wir müssen dafür sorgen, dass Berichterstattung objektiv wird, Spekulationen über Tatmotive auch benannt werden und jeder Mord als Terror bezeichnet wird. Nicht nur, wenn er von einem vermeintlich muslimischen Täter begannen wird.
Mögen die Seelen der Geschwister Deah Barakat, Yusor Abu-Salha und Razan Abu-Salha in Frieden ruhen und im Jenseits miteinander vereint werden.
Im Namen des Allerbarmers.
Oh Erhabener, Barmherziger, gebe den Hinterbliebenen, Eltern, Geschwistern, Verwandten, Freunden und Bekannten Geduld und Kraft in der schweren Zeit.
Lasse sie das Gedenken und die Projekte der Verstorbenen zu ihren Ehren am Leben erhalten und im Sinne von Deah, Yusor und Razan weiterführen.
Oh Allerbarmer, hilf uns im Miteinander diese Zeiten der Ignoranz und des Hasses zu überwinden, hilf uns menschlich zu handeln und Lichter zu sein, in Zeiten wie diesen. Öffne unsere Herzen und lasse uns stets das Gute vom Falschen unterscheiden und im Sinne unseres Vorbildes des Propheten Muhammad (FaI) zu handeln. Mit Barmherzigkeit, Liebe, Respekt und vor allem einem Gerechtigkeitssinn, der es uns ermöglicht stets für die Gerechtigkeit einzustehen und die Ungerechtigkeit zu verurteilen.
Bittgebet/Du´a- Im Namen Gottes des Barmherzigen des Gnädigen.
- O Allah, sei den Opfern von Krieg u. Unrecht barmherzig
- O Allah, sei uns barmherzig, denn wir bedürfen deiner Gnade und Vergebung.
- Sei uns barmherzig, die wir immer wieder unser Versprechen gebrochen haben.
- O Allah, du hast uns zu einer Gemeinschaft gemacht, die das Gute gebieten und das Schlechte verwehren soll.
- O Allah, hilf uns dabei, dieses große Versprechen einzuhalten, das wir gegeben haben.
- O Allah, lass uns bereit sein hinter unserem Bekenntnis zu stehen: „Niemand ist anzubeten außer Allah und Muhammad ist sein Gesandter (Frieden und Segen auf ihm).
- Unser Herr, gib den größten Lohn unserem Propheten, seiner Familie und seinen Gefährten. Lass uns fähig sein, ihrem Vorbild nachzuleben.
- O Allah, nimm den Hass aus den Herzen der Menschen
- Unser Herr, wir sind alleine und schutzlos ohne dich. Schenke uns deine Stärke und mache uns zu den Aufrichtigen und Dankbaren.
- Unser Herr, gib uns Zuversicht und Mut.
- O Allah, lass die Dunya und ihre Verführungen dieser Welt nicht bei uns die Oberhand gewinnen.
- O Allah, lass uns nicht vergessen, dass dein Wohlgefallen mehr wert ist, als alles was wir hier erreichen können.
- Unser Herr, sei den unschuldigen Opfern gnädig!
- Unser Herr, nimm ihre guten Taten an und bedecke ihre Fehler.
- O Allah, lass die unschuldigen Opfer ein Beitrag sein, dass wir aufwachen: Dass wir die Kraft zum Verzeihen entwickeln.
- Oh Allah, auf Dich vertrauen wir, zu dir wenden wir uns und zu dir ist unsere Heimkehr.
- Oh Allah, unsere Geschwister sind nun in Deiner Obhut und im Schutz deiner Nähe. Vergib ihnen und erbarme dich ihrer, denn wahrlich du bist doch der Vergebende, der Barmherzige.
- Oh Allah, erleichtere ihnen die Zeit im Grab und schenke ihnen deine Gnade und die ewige Wohnstatt des Paradieses.
Subhane rabbike rabbil izzeti amma yesufun veselamun alel murselin velhamdülillahirabbilalemin…
EL- FATİHA
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