Dienstag, den 16.01.2018, hat die Arbeiterkammer zur Tagung „Kopftuch als Projektionsfläche“ eingeladen. Das Tagungsprogramm bestand aus unterschiedlichen Wissenschafter*innen, die zu diesem Themengebiet referiert haben. Selbstverständlich war unter den Referent*innen keine einzige muslimische Frau mit Kopftuch. Verwundert hat mich das nicht, aber kommentarlos kann ich das nicht hinnehmen.
Es mag sein, dass die Vortragenden gute Inhalte geliefert haben, jedoch legitimiert das auf keinen Fall, wie die Arbeiterkammer und die Vortragenden uns diskursiv ausschließen, Kopftuchträger*innen objektifizieren und sie wieder einmal ihrer Stimme berauben. Diese Art von Diskussionen werden immer nur von der weißen Mehrheitsgesellschaft geführt, die es nicht für nötig hält, uns in irgendeiner Weise einzubinden. Die Beteiligung der Betroffenen bleibt unerwünscht, da diese Themen ohnehin in unserer Abwesenheit diskutiert werden können. Nach guter alter unterdrückerischer Manier eben. Wenn wir die wissenschaftliche koloniale Wissensproduktion als eigenen, machtvollen und weiß geprägten Diskurs analysieren, so zeigt die Tagung mit ihren Referent*innen, wie sehr sie in diese Machtstrukturen verwickelt sind. Es wird Wissen über uns produziert, das uns objektifiziert, dominiert und den Blick auf uns bestimmt.
Interessant, aber nicht überraschend, ist auch die Tatsache, dass keine Vortragende auf die Idee kam, den eigenen Platz an eine Muslimin mit Kopftuch abzugeben. Als könnten wir Themen, die unsere Körper betreffen, nicht analysieren und in Theorien gießen. Besonders wünschenswert wäre es von den Damen gewesen, die zu der Frage „Darf die Muslima sprechen?“ vorgetragen haben.
Um eine kurze Antwort auf die Forschungsfrage „Darf die Muslima sprechen?“ zu geben: Nein! Die kopftuchtragende Muslimin bleibt weiterhin Forschungsobjekt und darf nicht zu Wort kommen, weil weiße Wissenschafter*innen es nicht für nötig erachten und sowieso für sie sprechen können, ohne sie dabei einbinden zu müssen. Dieser Ausschluss ist ein elementarer und systematischer Bestandteil des Diskurses über muslimische Frauenkörper. Wir müssen uns darüber bewusst werden, dass es die Essenz des Diskurses ist uns auszuschließen. Falls sich doch wer erbarmt und eine betroffene Muslimin einlädt, so handelt es sich dabei oft um Personen, die Teil des Establishments sein wollen, die keine radikale Kritik am Diskurs haben und diesen somit nicht gefährden.
„White Savior Cat and the postcolonial subject“
Wir werden nicht gehört und weiße Wissenschaftler*innen, die über die Körper muslimischer Frauen forschen, werden auch in Zukunft dafür sorgen, dass das so bleibt. Wenn die Betroffenen selbst zu Wort kommen, so kann es sein, dass sie den dominanten Diskurs über sie selbst bedrohen und den Expert*innen ihre Positionen streitig machen. Ich mache mir keine Illusionen darüber, irgendwann einen Platz in diesem Diskurs zu haben, noch weniger darüber, dass diese Wissenschafter*innen uns irgendwann einschließen. Sie sind Teil der Ausschließungsmechanismen, sie werden uns weiterhin objektifizieren und dafür sorgen, dass wir ihnen dabei zu hören, wie sie über unsere Körper sprechen.
Leider habe ich gestern die Chance verpasst, Forschungsmaterial für meine zukünftigen Texte zu sammeln und muss mich am Bericht einer Freundin orientieren.
Die Chance wird sich bestimmt bald wieder ergeben, da bin ich mir sicher. In diesem Sinne:
„You don’t need to be a voice for the voiceless, just pass the mic.“ (Su’ad Abdel Khabeer)
Autorin: Hümeyra Kestane
*Bildquelle: https://paper-bird.net/2013/10/10/white-savior-cat-and-the-postcolonial-subject