Kommentar zur Podiumsdiskussion „Bleibt Feminismus anti-rassistisch?“

Mit der Podiumsdiskussion „Bleibt Feminismus anti-rassistisch? – Frauensolidarität in stürmischen Zeiten“ wurde unter anderem vom Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft ein Raum geöffnet, um auf die Notwendigkeit feministischer Bündnisse und solidarischer Praxis in Zeiten von ansteigenden rassistischen Übergriffen auf Muslim*innen hinzuweisen. Zentraler Ausgangspunkt des Zusammentreffens war die Ausladung einer muslimischen Sprecherin beim Women’s March Vienna am 21. Jänner 2017. Doch was ist passiert? Unserer Ansicht nach genau das, was sich bei vielen feministischen Gesprächen, Veranstaltungen und Konferenzen zeigt und wenig reflektiert wird: Das Aufeinanderprallen unterschiedlicher politischer Zugangsweisen und sozialer Verortungen und die Notwendigkeit intersektionale feministische Praxis immer wieder neu zu verhandeln. Dies wurde durch den Eröffnungsinput von Katrin Brezansky-Günes aufgezeigt: Feminismus darf hegemoniale Machtstrukturen nicht ignorieren, genau so wenig wie strukturelle, individuelle und selbstgesetzte Grenzen von Menschen. Ihr Appell an eine feministische Solidarität ist gekoppelt an eine gelebte Praxis, und dies war auch unser Beweggrund die Veranstaltung zu besuchen.

Was bedeutet es wenn Elif Öztürk als Mitarbeiterin der Dokumentationsstelle zur Durchsetzung von Gleichbehandlung für Muslime aus dem letzten Jahresbericht zitiert und damit auch ihre eigenen Erfahrungen mit Rassismus widerspiegelt? Wie weiter, wenn diese dann als „nur“ individuelle Erfahrungen abgetan werden anstatt Bewusstsein für eine Problematik zu schaffen und diese in unsere anti-rassistische, feministische Praxis einzuordnen? Warum reagierte das Podium vorrangig mit Betroffenheit? Wir als weiße Frauen verweigern damit einerseits das Zuhören und andererseits auch eine notwendige Selbstreflexion der eigenen Verstrickungen in Rassismen. Unserer Meinung nach ist aber das Zuhören und das Lernen von unterschiedlichen Erfahrungen der erste Schritt, um überhaupt einen Raum für Kommunikation auf einer solidarischen Basis öffnen zu können.

Politische Positionierungen sind nie selbstverständlich, sondern stets neu zu hinterfragen. Verschiedene Strömungen und Perspektiven im Feminismus sind wichtig, denn Feminismus lebt von Heterogenität und Basisarbeit durch verschiedenste polit-ökonomische und soziale Kämpfe. Ein kritischer Blick auf die Geschichte zeigt, dass Errungenschaften der westlichen Frauenbewegung oft auch mit Ausgrenzungen einhergingen. Sei es anhand der Klassenfrage, die Differenzen zwischen proletarischen und bürgerlichen Frauen sichtbar machte, oder in den 1970iger Jahren wo schwarze Feminist*innen auf die Bedeutung von geopolitischen und sozialen Differenzen unter Frauen hingewiesen haben. Kritisiert wurde die als universell konstruierte Identität Frau, welche die Erfahrungen weißer heterosexueller Mittelschichtsfrauen als universelle Erfahrungen wiedergab.

Wir schreiben das hier nicht, um zu sagen, die weißen Teilnehmer*innen am Podium seien sich dieser Kritik nicht bewusst gewesen. Vielmehr geht es uns darum darauf hinzuweisen in unserem Selbstverständnis als Feminist*innen nicht das zu reproduzieren, was wir eigentlich ablehnen: muslimischen Feminist*innen ihre politische Handlungsmacht abzusprechen indem wir ihre Erfahrungen, Kämpfe und Wissensproduktionen marginalisieren. Ob wir es wollen oder nicht, aber wir profitieren von Privilegien und institutionalisiertem Rassismus – bei der Arbeits- und Wohnungssuche, bei Zugang zu Bildung, bei der Repräsentation weißer Frauen in der Kulturproduktion (wenn auch immer noch zu gering und vielfach sexistisch), der geringeren Wahrscheinlichkeit von Polizeigewalt betroffen zu sein, etc.

Solidarität kann nicht einfach verordnet werden. Wie eine pluralistische sisterhood bzw. eine solidarisch feministische und anti-rassistische Praxis aussehen kann, die sich nicht an Konkurrenzen von Betroffenheiten aufhängt, sondern aktiv Privilegien reflektiert,  Machtverhältnisse offenlegt und die unterschiedlichen Erfahrungen bündelt und zusammenführt, das sollten wir bald gemeinsam diskutieren. Wir alle, denn solche Räume braucht es!

Autor_innen: Edith Gahleitner, Katrin Gleirscher und Klaudia Rottenschlager

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