Fadenscheiniger Auftritt

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Jetzt ist es offiziell:
Repräsentanten des Staates sollen dessen Neutralität repräsentieren: „Der Staat ist verpflichtet, weltanschaulich und religiös neutral aufzutreten.“

Ich habe mich schon verschiedentlich gefragt, wie ein Staat auftritt. Kulturbedingt gehe ich freilich literalistisch heran, etwa so: „Meine Damen, meine Herren! Es ist mir ein besonderes Vergnügen, ihnen heute unseren Staat zu präsentieren!“ Wenn es allerdings wörtlich selbst mir zu lächerlich wird, kann man vielleicht doch überlegen, die Grammatik zu Rate zu ziehen. Der Satz lässt sich beispielsweise ohne Weiteres in zwei Sätze aufteilen, wenn ich die Adjektive jeweils auf das Verb beziehe: „Der Staat ist verpflichtet, weltanschaulich aufzutreten. Und religiös neutral auch.“

Gut, ich weiß, das ist albern, und der Auftritt des Staates ist, hab ich mir von einem Autochtonen sagen lassen, sinnbildlich zu verstehen. Beamte schlüpfen in eine Rolle, Ausdruck dessen ihre Uniform oder ihr Gewand ist, und vollziehen Handlungen im Namen des Staates. Unser Staat beispielsweise definiert die Rolle von Staatsanwälten, die für die Einhaltung der Ordnung desselben auftreten. Und um authentisch zu sein und nicht Wasser zu predigen und Wein zu trinken, wird besonderer Wert darauf gelegt, dass gerade diese Rollen so ausgeübt werden, dass die Ideen, die hinter dem Staat stehen, sich selbst für Laien wie mich deutlich sichtbar materialisieren: die Gleichbehandlung von Mann und Frau beispielsweise ist unverkennbar daran festzumachen, dass es Männer und Frauen gibt, die diese Rolle ausführen dürfen. Als Zeichen ebendieser Rolle dient, wie festgestellt, die jeweilige Robe oder Uniform; transportiert wird – indem Frauen diese Berufe ausüben dürfen – die Idee der Gleichheit vor dem Gesetz. Ja, in dem Moment, in dem ein solches Kleidungsstück angelegt wird, performt der Staat; alles, was vom Beamten ab diesem Moment veranstaltet wird, fällt auf den Staat zurück.

Nun ist es bei mir nicht weit her mit der Logik, kulturbedingt. Trotzdem:

Der Staat entscheidet – sinnbildlich natürlich -, wer eine seiner Rollen spielen darf, idealerweise anhand von fachlichen Qualifikationskriterien. Das Tragen-Lassen von Uniformen und Roben ist folglich ebenso ein Auftreten des Staates.  Wenn der Staat, auf dessen Fahnen irgendwo das Prinzip der Chancengleichheit steht, sich anschickt, bestimmten Gruppen (z.B. Frauen, besonders solche mit Kopfbedeckung) das Ausüben dieser Rollen zu verwehren, ist dies eine zweifelhafte Performance im besten Fall, eher jedoch eine Farce. Denn das Nicht-Anlegenlassen von Roben und Uniformen aufgrund bloßer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe ist ein Auftritt, und zwar ein eindeutig nicht-neutraler.

Von Murat Gürol

Bild: www.parlament.gv.at

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