Erfahrungsbericht – Auflösungsgefahr für muslimische Vereine

Von einer religiösen Vereinsgründung in Zeiten der Auflösungstendenz für islamische Vereine
Mag. Wolfgang Bartsch
17.2.2016

Wie einfach ist es derzeit in Österreich einen Verein zu gründen, der potentiell als sogenannter „Moscheeverein“ für muslimische Gläubige fungieren könnte?

Wohl nicht mehr so unkompliziert, könnte man meinen. Das neue Islamgesetz 2015[1] ermöglicht nach einer Übergangsfrist sogar die Auflösung bestehender, als Vereine konstituierter Institutionen, die der „Verbreitung der Religionslehre der betreffenden Religionsgesellschaft“ dienen und nicht als Kultusgemeinden oder Hilfsvereine einer islamischen Religionsgesellschaft etabliert sind[2]. Erste Abklärungsschritte wurden diesbezüglich bereits im Herbst 2015 eingeleitet[3]. Es gibt auch einen ähnlich gelagerten höchstgerichtlichen Fall aus dem christlichen Bereich, bei dem der Verfassungsgerichtshof im Jahr 2001[4] die Untersagung der Gründung eines katholischen Vereins zur Verbreitung der Religionslehre für rechtens erachtete.[5] Es bleibt auch abzuwarten, wie der Verfassungsgerichtshof aktuell zur Beschwerde muslimischer Vereine gegen das Islamgesetz 2015 entscheiden wird.[6]

Trotzdem wollte ich einen kleinen „Echttest“ machen (wäre es auch nicht mein erstes Mal gewesen, mit einer Vereinsgründung abgewiesen zu werden[7]). Gemeinsam mit einem Mitgründer formulierten wir den Vereinszweck so, dass dieser theoretisch für einen interreligiösen Dialogverein, einen rein christlichen oder eben islamischen (Moschee)Verein gleichermaßen geeignet erscheinen könnte:

Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist, bezweckt

– die Kenntnis und Pflege religiöser Lehren, z.B. christlicher oder islamischer Glaubensinhalte und Werthaltungen;
– die Stärkung von Begegnungsoffenheit im Sinne von Toleranz, Respekt, Integration, Kooperation und Partizipation;
– persönliches Kennenlernen durch Dialog und soziales, insbesondere interkulturelles Lernen sowie Formate spiritueller Praxis;
– die Förderung eines kritischen Geistes gegenüber religiösen und säkularen Einrichtungen und Entwicklungen;
– die Weiterentwicklung politischer und gesellschaftlicher Formen des Zusammenlebens.

Der Verein versteht seine unabhängige, überparteiliche und konfessionell ungebundene Tätigkeit als Zeichen der religiösen Haltung und Verständigung in der Welt von heute.
Der Erfüllung des Vereinszwecks dienen insbesondere die Abhaltung von Versammlungen und Vorträgen, soziale Aktivitäten bzw. die Herausgabe von Mitteilungsblättern. Die erforderlichen materiellen Mittel werden durch Mitgliedsbeiträge, Spenden, Förderungen und Subventionen aus dem In- bzw. Ausland aufgebracht.“

Der Sachverhalt „Verbreitung religiöser Lehren“ findet sich in der Formulierung „Kenntnis und Pflege religiöser Lehren, Glaubensinhalte und Werthaltungen“ in Verbindung mit „Formaten spiritueller Praxis“ bzw. der „Abhaltung von Versammlungen“, die fraglos Gebete bzw. Gottesdienste einschließen könnten, wieder. Die beiden Absätze „kritischer Geist gegenüber religiösen und säkularen Einrichtungen und Entwicklungen“ sowie „Weiterentwicklung politischer … Formen des Zusammenlebens“ könnten (bei tendenziöser Auslegung) theoretisch sogar das Infragestellen aktueller Grundfundamente wie Demokratie, Rechtsstaat oder unsere zuletzt wieder vielzitierten Grundwerte des Zusammenlebens umfassen. Dass der Verein seine Tätigkeit nicht nur unabhängig und überparteilich, sondern auch „konfessionell ungebunden“ versteht, sollte unser Selbstverständnis zum Ausdruck bringen, sich nicht zwangsläufig in die rechtlichen Schemata von Religionsgesellschaften bzw. Kultusgemeinden einordnen lassen zu wollen. Der Hinweis zur Finanzierung durch „Spenden, Förderungen und Subventionen aus dem In- bzw. Ausland“ wurde mit § 6 Abs 2 Islamgesetz 2015 im Hinterkopf gewählt, der für islamische Religionsgesellschaften die laufende Finanzierung aus dem Ausland (auch sog. „lebende Subventionen“) untersagt.

Als Vereinsname wurde mit Religion. Begegnung. Friede ein allgemein gehaltener Überbegriff gewählt.
Es lag somit der Vereinsbehörde die Gründung eines Vereins vor, der – basierend auf den formulierten Statuten – folgende Tätigkeiten aufnehmen könnte:

  • Verein zur Förderung des interreligiösen Dialogs
  • Christlicher Verein
  • Islamischer Verein
  • Theoretisch auch ein Verein zur Kenntnis und Pflege anderer religiöser Lehren als Christentum und Islam, da diese im ersten Absatz des Vereinszwecks nur exemplarisch („z.B.“) aufgezählt sind

Aus diesem Grund gingen wir bei Einbringung der Anzeige zur Vereinserrichtung am 20.11.2015 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, im Zuge des Verfahrens von der Vereinsbehörde näher zur Konkretisierung des Vereinszwecks und unserer damit verbundenen Absichten befragt zu werden.

Nichts davon trat ein, im Gegenteil: Binnen zehn Tagen (mit 30.11.2015) hielten wir ohne jegliche Rückfrage den positiven Bescheid der Vereinsbehörde in Händen, in dem wir zur „Aufnahme der Vereinstätigkeit eingeladen“ wurden.

Damit stehen etliche Fragen im Raum, insbesondere:

  • Hatten wir die rechtliche Brisanz unserer Vereinsgründung vollkommen falsch eingeschätzt?
  • Trug unsere achtsame Formulierung des Vereinszwecks zur Nichtangreifbarkeit bei?
  • Ist in Österreich keine einheitliche Linie des Umgangs von Vereinsbehörden (konkret: Landespolizeidirektionen bzw. Bezirkshauptmannschaften) mit der Prüfung solcher Sachverhalte gegeben?
  • Wäre eine solche Vereinsgründung gleichermaßen durchgegangen, wenn die Namen der Gründerinnen bzw. Gründer der allgemeinen Auffassung nach einem muslimischen Hintergrund zugeordnet werden hätten können?
  • Wird bei der Bewertung oben aufgeworfener Aspekte doch nicht rein auf die Statuten eines Vereins abgestellt, sondern auf die konkret verwirklichte Tätigkeit, sodass es auch künftig nicht per se zu einer Auslese in der Gründungsphase von Vereinen kommen kann?
  • Oder bekommen wir im Zuge der mit Frist 1.3.2016 umzusetzenden Vereinsauflösungen gemäß Islamgesetz 2015 doch noch Post zur näheren Erläuterung und Präzisierung unserer Statuten?

 


 

[1] Bundesgesetz über die äußeren Rechtsverhältnisse islamischer Religionsgesellschaften –Islamgesetz 2015, BGBl. I Nr. 39/2015
[2] vgl. § 3 Abs 4 und § 31 Abs 3 Islamgesetz 2015
[3] vgl. Homepage der Islamischen Glaubensgemeinschaft 2.11.2015: http://derislam.at/?f=news&shownews=1992&kid=1
[4] VfGH, Geschäftszahl B1510/00 vom 11.12.2001
[5] Das Recht der Religionsgemeinschaften auf die selbstständige Besorgung ihrer inneren Angelegenheiten erfordere es nachgerade, dass der Staat die Gründung solcher Vereine untersage.
[6] vgl. orf.at-Meldung vom 17.2.2016: http://religion.orf.at/stories/2758141/
[7] 2010 wollten ein Arbeitskollege und ich einen caritativen Verein namens „Wiener Notgroschen“ gründen, der v.a. mittels eingesammelter Spenden bedürftigen Personen zinsenlose Kleinstkredite bis maximal EUR 500,- anbieten hätte sollen. Die Gründung dieses Vereins wurde nach Stellungnahme der Finanzmarktaufsicht seitens der Vereinsbehörde nicht gestattet, weil damit ein konzessionspflichtiges gewerbliches Kreditgeschäft (mit zumindest mittelbarer Einnahmenerzielungsabsicht) angestrebt worden wäre.

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