Deutsch als Einbahnstraße

Deutsch als Einbahnstraße

Das NMZ berichtete bereits über das Schreiben der Direktorin der VBS Mödling diese Woche, welches SchülerInnen das Sprechen ihrer nicht deutschen Muttersprache in der Schule untersagte.

Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich auch in einer Wiener Mittelschule. Dem NMZ wurden Bilder zugespielt, die eine Liste mit Schulregeln zeigen. So heißt es darin:

An diese Regeln wollen wir uns halten:

  • In der Schule nicht türkisch reden. (sic!)
  • Am Gang und in der Klasse nicht laufen.
  • Nicht beim Lehrer frech zurückreden.
  • Die Mitschüler nicht schimpfen.
[…]“

Darüber hinaus wird erklärt, dass ein Regelverstoß pro „Vergehen“ die Strafe zur Folge hat, fünf Minuten nach dem Unterricht in der Schule zu bleiben.
(Die Aktualität dieses Aushangs ist bis Redaktionsschluss nicht bestätigt worden)

Hier geht die Schule sogar so weit, dass gezielt nur Türkisch verboten wird. Wir fragen uns, warum das der Fall ist. Ist Türkisch weniger wert als andere Sprachen? Ist sie gefährlicher als andere Sprachen? Wird hier zwischen „redenswerten“ und „nicht redenswerten Sprachen“ unterschieden?

Das NMZ möchte an dieser Stelle festhalten, dass es nicht darum geht, Unhöflichkeit zu verteidigen! Als MuslimInnen ist uns klar, dass in Gegenwart Dritter nicht eine Sprache verwendet werden sollte, die diese/r nicht versteht.

Dazu gibt es zahlreiche Hadithe: „Wenn sich in einem Raum drei Personen aufhalten, so sollen zwei nicht untereinander tuscheln. Die dritte Person könnte sich dadurch gestört fühlen.“ (Buchari, Muslim).

Somit ist für uns eines klar: Wir nehmen Rücksicht auf unsere Mitmenschen!

Und genau diese Einstellung ist es, die der mehrsprachigen Realität Österreichs auch am gerechtesten wird. Redet in jeder Sprache, die ihr beherrscht, nehmt dabei jedoch immer Rücksicht auf die Anwesenden, die diese Sprachen eventuell nicht beherrschen!

Hier setzen wir auch unseren Lösungsvorschlag für diverse Konflikte in Schulbetrieben an: Seit über einem Jahrzehnt gibt es zumindest in Wien schulautonome Projekte wie das PEERS-Projekt, das sich Suchtprävention und Gesundheitsvorsorge zum Ziel gesetzt hat. Dieses Ziel soll erreicht werden, indem für ein gutes Klassenklima gesorgt wird. Dazu besuchen SchülerInnen bestimmte Workshops, in denen sie sich Werkzeuge des Konfliktmanagements aneignen und bei Konflikten und Problemen die ersten Ansprechpartner für ihre gleichaltrigen KollegInnen sind (Peers!). Auch Projekte wie jene der Integrationsräte haben effektive Lösungsstrategien entwickelt. Die Pädagogik kennt noch eine Palette weiterer Strategien der Mediation, Konfliktlösung und des konfliktfreien Classroom Management.

Auch im Lehrerdasein finden Regeln ihren Platz. Wer selbst unterrichtet weiß, dass ohne das Setzen von Regeln, wohl kein erfolgreiches Unterrichten möglich wäre. Eine der obersten Maximen einer Pädagogik, die die Wertschätzung und den Respekt vor den Schülern/Innen im Zentrum sieht, ist jene, dass die Autorität, die die Lehrperson im Klassenzimmer und in der Schule innehat, nicht zum Zwecke von Herabsetzung und repressiver Einschränkung verwendet werden darf, was dem/der Schüler/in in ihrer/seiner Entwicklung schadet.

Daher rät auch nahezu jeder Pädagogikratgeber, der im letzten Jahrhundert verfasst wurde dazu, SchülerInnen in Gestaltungs- und Entscheidungsprozesse miteinzubeziehen, so auch etwa beim Verfassen von gemeinsamen Regeln – nebenbei bemerkt, auch bekannt als eine der effektivsten didaktischen Herangehensweisen, um Konflikten vorzubeugen.

In den beschriebenen Fällen wird allerdings eine Facette des Schullebens deutlich, in der eine ganz andere Sicht auf SchülerInnen und die Funktionen von Regeln vorzuherrschen scheint.

Wie gedenken LehrerInnen den Anforderungen der österreichischen Lehrpläne, die ein respektvolles und interkulturell solidarisches Miteinander betonen, gerecht zu werden, wenn unter manchen LehrerInnen selbst kein Verständnis darüber vorzuherrschen scheint, dass jedes Kind ein Recht auf die Ausübung seiner Muttersprache hat und die Autoritätsbefugnisse der Lehrperson eindeutig überschritten sind, wenn durch kurzsichtige Maßnahmen, die keiner pädagogisch sinnvollen Begründbarkeit standhalten, der/die einzelne SchülerIn ihren grundlegenden Freiheiten beraubt werden soll. Mehrsprachigkeit sollte zudem nicht als „Problem“, sondern aks Vorteil gesehen werden. Kinder sollten nicht für ihre Mehrsprachigkeit bestraft, sondern darin gefördert werden!

Derartige Sanktionen verwundern jedoch nicht in Hinblick auf Lösungsvorschläge, die von Integrationsminister Kurz artikuliert werden. Als Präger des Begriffes „Integrationsunwilligkeit“ und „Ungleiches kann nicht gleich behandelt werden“ begünstigen Sebastian Kurz und politisch ähnlich gesinnte Akteure diese Entwicklung zusehends.

Die Schule ist bekanntlich der Spiegel der Gesellschaft. Wer zu jenem Teil gehört, der nicht ausschließlich Deutsch als Erstsprache hat und seine Umgebungswelt gemäß dieser Wahrnehmung betrachtet, hat möglicherweise bereits erkannt, welches Muster sich abzuzeichnen begonnen hat.

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