Nach viel Aufregung, 159 Stellungnahmen, einer erfolgreichen Bürgerinitiative, Wochen voller Medienberichte, öffentlicher Diskussionen und Verhandlungen ist die Debatte um das Islamgesetz immer noch höchst brisant.
Seit Wochen steht die IGGIÖ im Rampenlicht. Die Verhandlungen zwischen Sebastian Kurz und Fuat Sanac wurden ohne Beteiligung der Gremien geführt- höchstwahrscheinlich. Soviel ist mittlerweile klar. Bei der Präsentation des Entwurfes kam dann die große Überraschung – Widerstand und Protest von der nicht informierten Basis. Viele Stellungnahmen, Diskussionen, Nachverhandlungen und eine erfolgreiche Bürgerinitiative später ist alles (un-)klarer.
Was kommt als nächstes?
Wird der Schurarat gegen das vom Ministerrat zum Regierungsentwurf beschlossene Gesetz stimmen? Die Stellungnahme des Obersten Rates wurde nur an das Parlament geschickt. Wenn ja, wird das Parlament diese Entscheidung übergehen und gegen den Willen der Religionsgemeinschaft entscheiden? Wenn nein, wird das Parlament das Gesetz beschließen? Oder werden die Parlamentarier dagegen stimmen? Was passiert, wenn das Gesetz beschlossen wird? Werden die Verbände ihren Präsidenten absetzen? Oder werden sie zur Tagesordnung übergehen? Wie wird die Basis reagieren? Verfassungsklagen, Demonstrationen, intellektueller Protest, Bildung einer „Opposition“?
Sollte das Gesetz kommen, muss die IGGIÖ die Verfassung ändern. In welcher Form wird sie geändert? Wer ist beteiligt? Wie lange wird es dauern, bis eine neue Verfassung steht?
Alles im Unklaren.
Einiges ist aber klar
Es ist klar, dass die Vorgehensweise der IGGIÖ und ihres Hauptverhandlers im Zusammenhang mit dem Islamgesetz die Glaubwürdigkeit und den guten Ruf der IGGIÖ nachhaltig beschädigt hat. Die Widersprüche vor und nach der Veröffentlichung des Gesetzesentwurfes sind nicht unbedingt vorteilhaft für die Vertrauensbasis zu einem Dialogpartner in der Regierung.
Es ist klar, dass die IGGIÖ und ihr Chef einen Imageschaden innerhalb der muslimischen Community erlitten haben. Die Intransparenz, die fehlende Kommunikations- und Informationsbereitschaft, das mangelnde Demokratieverständnis und nicht zuletzt die ergebnislosen Nachverhandlungen haben einen Vertrauensverlust der muslimischen Community in die IGGIÖ und ihre Organe verursacht, wie es ihn bisher in der Geschichte der IGGIÖ noch nicht gegeben hat. Daraus resultierende Rücktrittsforderungen, ob von Organisationen oder Einzelpersonen, sind bei einer demokratisch gewählten Position die logische Konsequenz davon. Rücktritte gehören zum Alltagsgeschäft in der Politik und es zeichnet eine starke Persönlichkeit aus, dass sie ihre Aufgabe jemand anderen überlässt, wenn der Zeitpunkt gekommen ist.
Es ist auch klar, dass die IGGIÖ als Ansprechpartner für die Regierung und als Vertretung für Österreichs Muslime eine wichtige Rolle spielt. Sie befindet sich in Entwicklung und bedarf nun einer Reform. Diese Tatsache schmälert in keinster Weise die langjährige Arbeit, die innerhalb der IGGIÖ von vielen aktiven Menschen geleistet wurde und diese Entwicklung der IGGIÖ vorangetrieben haben.
Es ist auch klar, dass die in Österreich verwurzelte und sozialisierte muslimische Community in dieser Situation so handelte, wie es in einem Rechtsstaat üblich ist. Sie machte Gebrauch von ihrer Redefreiheit, beteiligte sich an der Debatte, brachte sich ein und signalisierte ihr Interesse an Mitgestaltung.
Ebenso klar ist, dass durch das Islamgesetz eine innerreligionsgesellschaftliche Debatte ausgelöst wurde, die längst fällig war, und ein politisches als auch zivilgesellschaftliches Interesse in der Community geweckt wurde, von der jede politische Partei vor den Wahlen nur träumen kann. Dachverbände, Moscheegemeinden und Fachverbände der IGGiÖ wie ATIB, die Islamische Föderation aber auch das Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft (NMZ), die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ), die Initiative Österreichischer Konvertitinnen & Konvertiten (IÖKK) und die Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen, um nur einige zu nennen, rafften sich auf, um auf unterschiedlichsten Wegen ihre Positionen zu finden und öffentlich darzulegen.
Zusammenfassend ist somit klar, dass es auch für die nahe Zukunft um das Islamgesetz und die muslimische Gemeinschaft weiter spannend bleibt.
Dr. Ursula Fatima Kowanda-Yassin lehrt am Privaten Studiengang für das Lehramt für Islamische Religion an Pflichtschulen (IRPA), ist für das Interreligiöse und Interkulturelle Beratungszentrum der Irpa und KPH Wien/ Krems (iiB) tätig und war von 1999 bis 2013 ehrenamtlich in der Gefangenenseelsorge Österreichs aktiv.